Frage: Spinnst du jetzt völlig? Du hast Unterrichtsmaterial zum Thema Ehrenmorde und Islam erstellt? Hast du denn nichts Besseres in den Sommerferien zu tun?
Antwort: Doch, natürlich. Also das mit den Sommerferien meine ich. Das Material ist von 2017. Ich habe es nur nochmals ausgegraben und online gestellt, nachdem seit ein paar Tagen nach einem furchtbaren Mord an einer Afghanin in Berlin, begangen durch ihre Brüder, in den Medien wieder verstärkt von Ehrenmorden die Rede ist und dem wahrscheinlich wieder eine Integrationsdebatte folgt, die an unserer allen Nerven sägen wird.
Frage: Aber verstärkst du damit nicht die ganze Diskussion nur, wenn es nun auch noch neues Unterrichtsmaterial dazu gibt?
Antwort: Das didaktische Problem lautet hier: Ehrenmorde werden schon vielfach im Schulunterricht thematisiert, aber oft in unzureichender Form. Mein Material zielt darauf ab Lehrkräften einen wirklich differenzierenden und fundierten Zugang zu ermöglichen, der auch für muslimische Schülerinnen und Schüler zugänglich ist, ohne sie in eine Defensivrolle zu drängen.
Frage: Aha, ich verstehe. Du zeigst also im Material, dass Ehrenmorde mit dem Islam nichts zu tun haben.
Antwort: Ja und nein. Das Material klärt vor allem über die soziologischen und psychologischen Hintergründe auf und zeigt, dass es mehrere konkurrierende Ehrenkonzepte in der islamischen Welt gibt.
Frage: Aber Moment, Ehrenmorde haben doch nichts mit dem Islam zu tun.
Antwort: Ja, klar. Aber mit milieuspezifischem Habitus haben sie schon zu tun.
Frage: Wie bitte, was für ein Ding?
Antwort: Ich meine damit: mit manchen Muslimen haben Ehrenmorde schon zu tun, und mit ihren kollektivistischen Ehrenvorstellungen. Aber eben nicht mit allen Muslimen. Die Religion verstärkt die Wahrscheinlichkeit zu Ehrenmorden nur dann, wenn man nur selektiv auf manches daraus Bezug nimmt, also z. B. auf das Keuschheitsgebot und dann noch kollektivistische Ehrenvorstellungen daraufsetzt.
Frage: Du vermischst hier aber Tradition mit Religion.
Antwort: Nein. Die Ehrenmörder bzw. ihre Milieus vermischen dies. Ich versuche nur zu zeigen, dass der Islam zwar ein Keuschheitsgebot hergibt, und zwar für Mann und Frau, aber keine Grundlage für kollektivistische Ehrenkonzeptionen und schon gar nicht für Ehrenmorde.
Frage: Ah, gut. Aber mal unter uns und ganz leise: Was ist eigentlich mit so Themen wie Steinigung, Auspeitschen von Ehebrechern und so etwas? Das gibt es doch auch irgendwo in dem islamischen Quellen und wohl teils auch in der islamischen Welt, auch wenn das für die meisten Muslime kein Thema ist. Könnte ein Kritiker aus all dem nicht auch so etwas wie eine theoretische Grundlage für Ehrenmorde konstruieren?
Antwort: Du stellst gute Fragen – genau auf das letztere habe ich versucht im Material 7 eine fundierte Antwort zu geben.
Frage: Und die lautet?
Antwort: Wozu schreibe ich eigentlich Texte, wenn ich sie dir jetzt vorlesen oder zusammenfassen soll? Lies selbst und bilde dich 😊
Frage: Mal schauen, vom Lesen bekomme ich oft Schwindel und Kopfweh.
Antwort: Au wei – vielleicht auch noch Bauchschmerzen und Malaria?
Frage: Sehr witzig… Und wovon handeln die anderen sechs Materialien?
Antwort: Also da ist einmal ein Interview mit einem muslimischen Blogger zum Thema Ehre und Ehrenmorde im Islam.
Frage: Wer ist das?
Antwort: Ein Arif T. Bitte keine weiteren Fragen dazu.
Frage: Mh, okay…
Antwort: Dann habe ich eine tabellarische Gegenüberstellung des koranischen Konzepts individueller Keuschheit und des kollektivistischen Ehrenbegriffs geschrieben. Dem folgen Darstellungen zum agrarisch-ländlichen Ursprung des kollektiven Ehrenbegriffs, zum Hintergrund der Ehrenmörder in Ländern wie Deutschland und schließlich noch einen Bericht aus islamischen Quellen zur Frage, wie der Prophet Muhammad mit seiner Frau Aischa umging, als ihr Tage lang von anderen unterstellt wurde, dass sie Ehebruch begangen habe.
Frage: Krass – ja, wie hat der Prophet denn da reagiert?
Antwort: Tja…
Frage: Ja, ich verstehe. Ich soll es selbst nachlesen.
Antwort: Bingo. Im Material 6 bitte.
Frage: Aber du sagtest doch, das ist Unterrichtsmaterial. So wie du das darstellst, ist das eher für Erwachsene geschrieben.
Antwort: Nein, überhaupt nicht. Das sind didaktisierte Materialien, überwiegend bestehend aus kurzen Texten aus verschiedenen Quellen, versehen mit zahlreichen Fragen, und der Möglichkeit das Material weiterzuentwickeln.
Frage: Wie soll das gehen bei fertigem Material?
Antwort: Nun, es liegt auch als Word-Dokument vor.
Frage: Ich finde immer noch, dass dein Thema schlecht gewählt ist. Morgen kommt in den Medien eine andere Anti-Islamdebatte, und dann wieder ein anderes. Und du willst da jedes Mal mit Material hinterher rennen?
Antwort: Stopp mal. Wie gesagt: Das Material ist schon längst da. Ich renne damit nicht den Medien hinterher, sondern bin schon vor ihnen dort.
Frage: Umso schlimmer!
Antwort: Schau, es ist aus einem Bedarf heraus entstanden. Ich habe nie angeraten das Thema Ehrenmorde zu unterrichten. Dies ist nur ein Hilfe für Lehrkräfte, die sich und ihren muslimischen Schülerinnen und Schülern das Leben erleichtern wollen, wenn sie schon das Thema bearbeiten müssen. Außerdem kann man da wirklich auch etwas über das schon seit 15 Jahren intensiv und inkompetent in den Medien durchdiskutierte Thema lernen. Immer noch gilt: Keine Sau hat Ahnung von dem Thema.
Frage: So, und du bist jetzt die neue Sau Nr. 1, oder wie?
Antwort: Wie witzig… Ich habe nur längst bekannte Sachen aus seriösen Quellen zitiert. Kann ich doch nichts dafür, dass dies nur wenige lesen.
Frage: Wie gesagt: Vom Lesen bekomme ich Kopfweh und Schwindelgefühle, ganz ehrlich. Ich hasse lesen.
Antwort: Ja, ist gut… Ich gebe zu, ich verfolge noch einen anderen Zweck damit.
Frage: Jetzt wird es interessant. Was denn? Wer bezahlt dich eigentlich dafür?
Antwort: Bezahlt werden? Ich selbst zahle noch drauf! Etliche Mahngebühren bei der Landesbibliothek, WordPress-Kosten, viele wertvolle Stunden und vor allem Nerven…
Frage: Heul doch… Also nochmal: Welchen anderen Zweck verfolgst du damit?
Antwort: Ich habe einen Theorieteil zum Thema „identitätssensible Kommunikation“ vorgeschaltet, der zeigt, wie man bei allen interkulturellen Reizthemen, insbesondere zu vermeintlich oder tatsächlich muslimischen Phänomenen als Lehrkraft und als Ersteller von Materialien eine pädagogisch zumutbare Haltung und ein entsprechend differenzierendes Vorgehen entwickeln kann. Das ist aus meiner Sicht der eigentliche nachhaltige Ertrag der Auseinandersetzung mit dem Thema und meinem Material.
Frage: Und wie lautet dieses Vorgehen konkret?
Antwort: Weiß nicht, hab’s vergessen.
Frage: Ist gut, ich werde es schon selber nachlesen oder mir vorlesen lassen… Sowas aber auch…
Antwort: Danke für die Fragen!
Frage: Danke ebenso.
(Hinweis: Das Material befindet sich im Bildungsbereich unter „Materialien für Unterricht“.