Ramadanfest oder Zuckerfest?

Ich wünsche allen Feiernden ein gesegnetes Ramadan-Fest!

Ramazan bayramınız mübarek olsun!

´Îd al-Fitr mubârak!

Hier ein paar Notizen zwischen den Besuchspausen zum wunderschönen Fest bei wunderschönem Sonnenwetter:

Im Arabischen Ursprung heißt das Fest weder Ramadanfest, noch Zuckerfest, sondern ´Îd al-Fitr = Fest des Fastenbrechens (wörtlich: fest des Aufbrechens bzw. Spaltens).

Im semantischen Umfeld von „Fitr“ finden sich auch Bedeutungen wie Erschaffen (Der Gottesname Fatir = Schöpfer bzw. Öffner von Himmel und Erde). Manche sehen in diesem Fest am Ende des islamischen Fastenmonats daher auch eine Rückkehr zur Natur (fitra) und Neubetrachtung der Schöpfung. Schöpfung bzw. Natur kann auf das große Ganze der Außenwelt bezogen werden, oder auch auf das ganz Kleine und Elementare. (Darum das Beitragsbild von der Hauptseite, das für mich voller religiöser Assoziationen ist).

Insofern erinnert das Fest auch an die Einheit des Kleinen und Großen.

Alle diese mitschwingenden Bedeutungen kommen mir sehr entgegen.

Und was ist mit dem „Zuckerfest“?

Die immer noch anzutreffende Kontroverse zwischen den Bezeichnungen Ramadanfest und Zuckerfest ist eine politische, die vor allem in der Türkei als Frage Sichtbarkeit bzw. Nichtsichtbarkeit religiöser bzw. säkularer Symbole geführt wurde und heute (meiner Meinung nach künstlich) teils noch geführt wird.

Ich selbst nutze den Begriff Zuckerfest nicht.

Er ist mir zu folkloristisch.

Für mich persönlich ist es das Ramadanfest.

Aber seit einigen Jahren habe ich die Bezeichnung Zuckerfest trotzdem irgendwie liebgewonnen.

Es erinnert mich an Kindheit.

Die Assoziation von „Zucker“ im Sinne von Süßigkeiten und Aufmerksamkeiten für die Kleinen mit dem Ramadan ist mir um einiges lieber die Fortschreibung von dick aufgetragenen, finsteren Identitätsdebatten.

Auch wenn „Zuckerfest“ teils politisch zu Zeiten der Republik instrumentalisiert wurde:

Begriffe sind nicht statisch.

Sie haben eine Geschichte, die wechselhaft und uneinheitlich sein kann.

Ferner werden Begriffe oft von den meisten Menschen anders internalisiert als vom „Vorschreiber“ beabsichtigt und inhaltlich somit doch richtig „zugeordnet“.

Man kann Identitäten nicht durch Aufdrängen von Begriffen verändern.

Denn dazu sind Identitäten viel zu komplex, anpassungs- und widerstandsfähig.

Man kann Erinnerungen an versuchten Identitätsraub Geschichte sein lassen und so auch das „Zuckerfest“, wie es lange auch in traditionellen Kreisen verwendet wurde, wieder lieb gewinnen.

Ein interessanter Kompromissversuch dem Begriff „Zuckerfest“ eine auch eigens religiöse Dimension zu geben besteht darin das türksiche „Şeker Bayramı“ zurückzuführen auf ein einst mutmaßlich verwendetes „Şükür Bayramı“ = Fest der Dankbarkeit (gegenüber dem Schöpfer).

Mir scheint zwar nicht, dass dies gut belegt ist. Aber es zeigt, dass die innertürkischen Identitätsdebatten neben den alten Schwarz-Weiß-Kategorien auch solche Zwischentöne hervorgebracht hat, die auf eine Auflösbarkeit der an sich überholten Konfliktlinien verweisen.

Das innertürkische Identitätsproblem wird aber es dann gelöst sein, wenn heute beides auch ohne etymologische Vermittlung friedlich nebeneinander existiert oder je nach Situation austauschbar gehandelt wird, und man die Streitfragen auf wirklich Fundamentales beschränkt und nicht auf symbolische und populistische Stellvertreterkriege.

Beides (Zuckerfest und Ramadanfest) gehört in der Türkei zur gemeinsamen Geschichte, die nicht mehr trennbar ist. Darum sollte diese gemeinsame Geschichte besiegelt werden, auch durch mehr Mut zu Durchlässigkeiten.

Wer dabei Angst hat, dass Identität oder Substanz verloren gehen kann, der soll bei einer einheitlichen Begrifflichkeit bleiben.

Aber er sollte darauf verzichten andere zu verurteilen, oder ihnen schlechte Absichten oder mangelndes Bewusstsein zu unterstellen.

Erst recht gilt: Wer das „Original“ will, muss auf das ´Îd al-Fitr (türkische Aussprache: iyd-ül fitr, iyd-ı fıtır und ähnliche Varianten) zurückgreifen.

„Ramazan bayramı“ ist eine sehr späte türkische Wortschöpfung.

Trotzdem steht es mir von den Alternativen am nächsten.

Denn damit bin ich groß geworden.

Damit assoziiere ich einen ganzen Wald an Gefühlen, Erinnerungen und Assoziationen.

Doch, siehe da, mit dem „Zuckerfest“ bin ich mittlerweile auch gut befreundet (mit dem ´Îd al-Fitr sowieso).

Ich wünsche uns allen gesegnete Festtage und eine Zukunft, in der die Identitätsdebatten beigelegt sind und wir uns um wirklich Grundsätzliches kümmern können…

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