Wie aus dem islamischen ´Id (Fest) ein „Eid“ wurde

Ein gelehrter Mann wies früher jährlich auf Facebook darauf hin:

„Alle Jahre wieder:

Nicht Eid.

sondern ´Îd“ 🙂

Ich möchte hierzu gerne eine bescheidene Fußnote aufmachen.

Das Wort „Eid“ als im Deutschen verbreitete Bezeichnung für islamische Festtage sprechen Anfänger als „Aid“, Amateure als „Eyd“ und Fortgeschrittene mit gutteralem Knacklaut zu Beginn als “ ´Eyd“ aus.

Profis wissen, dass alle drei Varianten genau so richtig sind, wie die Bezeichnung „Hadith“, wenn gesprochen wie „Hadiit“, für Worte des Propheten Muhammad: also falsch.

Da sich dieses Beispiel zum Warmwerden für das „Eid“-Problem gut eignet, hier eine kurze Erläuterung:

Das Wort „Hadith“ endet im Arabischen auf ein gelispeltes „s“.

Da es dieses im Deutschen nicht gibt, greift man auf Transliterationssysteme zurück, damit man nicht ein falsches „s“ spricht (es gibt im Arabischen drei unterschiedlich klingende „s“-Laute.)

Im System der DMG (Deutsche Morgenländische Gesellschaft) schreibt man „ṯ“.

Der Vorteil: Man kann es dank dem seltsamen Balken unten nicht mit einem echten „t“ verwechseln.

Der Nachteil: Den wenigsten sind die DMG-Transliterationsregeln vertraut.

Im System bspw. der IJMES (International Journal of Middle East Studies) schreibt man dafür „th“.

Der Vorteil: Das Schriftbild irritiert nicht.

Der Nachteil: Eine intuitive (aber falsche) Aussprache als „t“ ist kaum noch zu vermeiden (etwas wie in „Theodor“).

Auf letzterem (oder sehr ähnlichem) Wege kam es dazu im Deutschen „Hadithe“ zu schreiben und zugleich von „Hadiiten“ zu sprechen.

Daher kommt es, dass man ständig von „Haditen“ hört (oder gar von einer „Hadit-Wissenschaft“ XD ).

So etwas passiert, wenn von Experten wissenschaftliche Schreib- und Sprechweisen ohne Vermittlung in den Alltag eingeführt werden.

Nicht anders verhält es sich mit dem „Eid“.

Das E steht hier nicht für den Vokal „E“, sondern für den arabischen Konsonanten “ ´Ayn“.

Hä, warum?

Extrem simpel: ´Ayn sieht als Einzelbuchstabe im Arabischen fast aus wie ein E, nämlich so: ع

Irgendwer (hier enden meine spärlichen Transliterationskenntnisse) kam auf die brillante Idee für eine möglichst originalgetreue Aussprechbarkeit von Worten wie عيد das Anfangs- ´Ayn im Deutschen mitzuschreiben (im von rechts nach links verlaufenden Schriftbild hier zusammengezogen mit dem Verlängerungs-Ya von ´Îd und wie üblich ohne Schreibung des Vokalisationszeichens für das „i“ beim ´Ayn).

Vielleicht schrieben und dachten die Erfinder dieser brillanten Idee nur für ein spezielles Publikum, dem dies alles geläufig ist.

Oder sie kamen nicht auf die Idee, dass dieses „E“ bei den meisten Leserinnen und Lesern Missverständnisse provozieren muss.

Wie wird es denn richtig ausgesprochen?

So: „iid“ – aber mit dem Knacklaut ´Ayn zu Beginn.

Muss das mit dem Knacklaut sein?

Das kommt darauf an, wen man zu welcher Tageszeit fragt.

Kundige Didaktiker haben auf verschiedene Weise erklärt, wie dieses ´Ayn genau ausgesprochen wird.

Die einen sagen: „Dieser Knacklaut klingt wie das Geräusch, das man kurz vor dem Erbrechen (!) macht.“ (So steht es in einer Einführung in das hebräische Alfabet, das den Buchstaben ´Ayn an derselben Stelle im ab(c/g)d-Alfabet auch besitzt. Dort sieht es so aus: ע – wie das Lam-Alif im Arabischen also)

Die anderen sagen: „Das klingt so, wie wenn man im Rachen eine Münze hat, die man versuchen muss hinauszubefördern.“

(Leute, vergesst es, ihr macht das falsch 🙂 )

Weniger Gewissenhafte vergleichen es mit den phonetischen Bausteinen des Gurgelns (gurgelt mal – Verwechslungen mit dem Nachbarkonsonanten غ=Ġayn sind nicht ausgeschlossen)

Banausen wie ich sagen nach Jahren des Abarbeitens am ´Ayn:

„Das ´Ayn kann man nicht erklären. Man muss es erleben.“

Nicht arabischen Muslimen, die das ´Ayn korrekt aussprechen (bzw. „erzeugen“), sollte man eine ´Ayn-Medaille umhängen.

Sie werden bewundert (und manchmal auch beneidet).

Was heißt das nun?

Das heißt:

Leute, was habt ihr euch dabei nur gedacht!?

Das war echt keine gute Idee mit dem „Eid“ im Deutschen, das eigentlich als ´Îd mit brutalem gutteralem Knacklaut zu Beginn gesprochen wird (aber eben nicht als E-yd oder so)…

Vielleicht hätte man sich einfach auf das „Id“ mit langem „i“ einigen sollen, so wie es einst im Türkischen (vielleicht schon in der Aussprache der Osmanen) ganz ohne seltsame Vollständigs-عansprüche ausgesprochen wurde…

Und vielleicht hätte man im Deutschen auch einfach „Hadis“ schreiben sollen, wie es im Türkischen absolut üblich ist, ohne dass je einer auf die Idee kommt das „s“ im Alltag gelispelt zu sprechen, oder gar eigene Schreibweisen mit dem Hinweis auf die arabische Originalaussprache zu erfinden, wenn nicht ein Wissenschaftler, sondern jedermann adressiert ist.

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