Leseprobe zu „al-Ġazālī und die naturwissenschaftliche Erklärung der Welt“

Ich hatte letztes Jahr die Freude und Ehre zum Band 4 der Buchreihe „Islamische Philosophie“ (Thema: Die Kritik an der Falsafa), die vom seligen Murad Hofmann und Muhammad Sameer Murtaza herausgegeben wurde bzw. wird, einen Beitrag beisteuern zu dürfen. Der Titel meines umfangreichen Textes lautet „Al-Ġazālī und die naturwissenschaftliche Erklärung der Welt“ (in: Muhammad Sameer Murtaza (Hrsg.): Islamische Philosophie (Bd. 4) – Kritik an der Falsafa. Hamburg 2020, S. 149-208.). Eine Leseprobe dazu gibt es hier.

Inhaltlich habe ich mich nicht der mindestens so interessanten Kausalitätsthematik befasst, sondern mit der Frage, wann und wie naturwissenschaftliche Erkenntnisse laut al-Ġazālī relevant für die Auslegung von Koran und Hadith werden. Dabei bin ich sowohl dem Wissenschaftstheoretiker al-Ġazālī nachgegangen, als auch dem (Bildungs-)Politiker al-Ġazālī. Dies sind mindestens zwei der Identitäten, die bei der Beschäftigung mit dem Thema unterschieden werden sollten, da sich nur so zahlreiche Spannungen und scheinbare Widersprüche in seinem Werk auflösen lassen.

Denn auch, wenn es scheinbar „nur“ um Koranexegese, oder „nur“ um Naturwissenschaft geht: Es geht es immer auch um Politik, Legitimierungskämpfe und Macht.

Ich bin zunehmend begeistert von al-Ġazālī und er ist auch für mich einer der wichtigsten Geistesgrößen der islamischen Geschichte (in ganz verschiedenen Bereichen), der auch heute noch vielfach relevant und bei weitem nicht ausgeschöpft ist. Es gibt kaum ein Thema in der islamischen Theologie oder Philosophie, das nicht früher oder später einen Höhepunkt in einem wegweisenden Text von ihm findet. Zugleich ertappe ich mich immer wieder auch als Kritiker des Meisters, da ich manche seiner Haltungen und seine damit verbundene Vorbildwirkung (z. B. was seine bis ans Lebensende aufrecht erhaltene Ablehnung zahlreicher rein rationaler Wissenschaften bei gleichzeitiger Anerkennung ihrer Ergebnisse betrifft) dann doch auch für arg kontraproduktiv halte.

In meinem Buchbeitrag habe ich versucht beide Seiten unter dem Aspekt „Umgang mit den Naturwissenschaften“ zu sammeln, einander gegenüberzustellen und die resultierende Spannung dann in der besagten Unterscheidung zwischen dem Denker und dem politischen Akteur al-Ġazālī zu unterscheiden.

Ob mir das gelungen ist, darf der Leser entscheiden.

Ich möchte hier noch darauf hinweisen, dass es in dem Sammelband neben weiteren Texten zu al-Ġazālī und Ibn Taymiyya zwei Beiträge zum Tod von Murad Hofmann aus der Feder von Muhammad Sameer Murtaza gibt, der Hofmann persönlich gut kannte. Darin befinden sich Berichte und Anekdoten aus Murtazas Erfahrungen mit Hofmann, die mich teils sehr berührt, und teils auch schockiert haben. In jedem Fall: Gerne kaufen und weiterempfehlen 🙂

Es folgt nun das Inhaltsverzeichnis meines Textes. Die Leseprobe umfasst die Kapitel 3.1 und 3.3

1.Einleitung
2. Was tun bei Konflikten zwischen Naturwissenschaft und Offenbarung?
3. Wie gewiss muss naturwissenschaftliche Gewissheit sein?
3.1 Von al-Ġazālī zu Einstein: Die Frage nach empirischer Gewissheit
3.2 Der Rahmen legitimer Auslegung
3.3 Al-Ġazālī und die magnetischen Kräfte, oder: die Kriterien des rationalen Beweises (burhān)
3.4 Sufistische Wende ohne Abkehr von Rationalität
4. Die Grenze der Toleranz und die Verurteilung der Philosophen
4.1 Die Verurteilung der Philosophen
4.2 Zum historischen Hintergrund von al-Ġazālīs Urteil
4.3 Ablehnung der philosophischen Wissenschaften durch al-Ġazālī
4.4 Gründe seiner Ablehnung der rationalen Wissenschaften
5. Das Fortleben der Philosophie nach al-Ġazālī
Literatur

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