Was tun bei S-Bahn-Prügeleien zwischen Punks und Kanaken? (Für Fortgeschrittene)

Dies ist eine Kurzgeschichte von mir aus dem Jahre 2011, nach einer wahren Begebenheit. Here we go:

Neulich stieg Arif an einem Freitagabend in die Stuttgarter S-Bahn und ärgerte sich über laute Jugendliche, die sich in der Bahn mit diversen Alkoholika volllaufen ließen – trotz des ausgeschriebenen Verbots von Alkoholkonsum in öffentlichen Verkehrsmitteln. In seinem Rucksack schleppte er schon den ganzen Tag ein Buch über kulturelle Identität und seinen Laptop mit sich herum, auf dem er in freien Minuten Texte über Identitätsfragen schrieb. Nach dem Umsteigen stand er am Ende eines vollen S-Bahn-Wagens. Auf den einander zugewandten Sitzmöglichkeiten auf der linken und rechten Seite des Zuges wechselten sich von Haltestelle zu Haltestelle junge Fahrgäste ab.

Zuletzt hatte sich ein korpulenter Punk mit zwei Mädchen auf die linke Bankreihe gesetzt. Arif dachte sich, dieser Punk hätte gut als Ausstellungsstück in die aktuelle Ausstellung in der Stuttgarter Staatsgalerie über Menschenbilder aus verschiedenen Jahrhunderten gepasst. Interessiert zählte er seine Gesichtspiercings und studierte seinen ehrwürdigen, in Violett- und Rosatönen schillernden Irokesenschnitt. Auf seinem Rücken prangte ein großer Aufnäher, auf dem ein Hakenkreuz abgebildet war, das in einen Mülleimer geworfen wurde. Der Punk hieß Marcel – und war betrunken genug, dass ihm nicht auffiel, dass Arif ihn von der Seite musterte.

Beim nächsten Halt sollte sich die gegenüberliegende Bankreihe ebenfalls füllen. Herein kamen drei junge Südländer mit Halsketten und sportlichem Outfit. Erst dachte Arif, das sind bestimmt Türken, bis er bei zweien, nämlich Özgür und Murat, Halskettenanhänger mit Kurdistanumrissen erblickte. Aha. Kurden waren das also. Sie konnten aber sicher auch Türkisch. Der dritte der Runde hieß Zamir und hatte kurzes blondes Haar. Weiter hinten saß noch ein Italiener namens Alfonso, der später noch eine Rolle spielen wird. Özgür und Zamir setzten sich auf die rechte Bankreihe.

Und was tat Murat?

Na, was wohl!

Er stellte sich genau in die Mitte des Wagens, griff nach zwei Halteschlaufen an der Decke – und begann Klimmzüge zu machen. Eins, und zwei, und drei, und vier… Marcel und die beiden Mädchen auf der einen, Zamir und Özgür auf der anderen Seite sahen dem Treiben zu. „Ein Überzeugungskanake durch und durch – wenn das mal gut geht“, dachte sich Arif.

Endlich hatte Murat einen Stehplatz zwischen Özgür und Marcel eingenommen, und Arif war froh, dass die ihm doch irgendwie peinliche Szene vorbei war. Derweil las er auf seinem Handy Zeitung und amüsierte sich über die kuriosen Debatten zwischen den liberalen, kemalistischen und konservativen türkischen Kolumnisten. Dabei merkte er, dass sich Marcel mit den Südländern zu unterhalten begann.

Arif meinte zu sich: „Wie schön, ein interkultureller Dialog!“.

Davon konnte man bestimmt etwas lernen.

Also hörte Arif genauer hin.

(Zur ganzen Geschichte bitte hier lang)

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